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Kontrollverlust - Ursache und Nebenwirkungen

23.09.2019

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Die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren, bedeutet für freie Menschen eine einschneidende Zäsur. Ich denke an Krankheiten wie Schizophrenie, Demenz, Drogensucht, aber auch an gesellschaftliche Entwicklungen wie Fettleibigkeit, Diabetes oder an Armut. Der Sturz in die Tiefe geht immer mit einem Verlust an Souveränität einher. Betroffene sind nicht mehr frei in ihren Entscheidungen, sie werden fremdbestimmt. Die Medizin kontrolliert den Tagesrhythmus und den Krankheitsverlauf, die Sozialbehörde gibt den Ärmsten vor, was drin liegt und was nicht.

Dabei ist die Meinung, wirklich frei zu sein, eine Schimäre, die von Politikern gerne zitiert wird. Humanismus, Marktfreiheit, Liberalismus, Eigenverantwortung, Meinungsfreiheit, Gleichheit und so weiter und so fort. Die Freiheit, tun und lassen zu können, was wir möchten, hat im Welttheater längst seine kindliche Unschuld verloren. Drohungen, Handelskriege, Vorschriften, Verbote, Erlasse, Normen und Regulierungen schränken unser Tun ganz erheblich ein, zur Freude der einen, zum Ärger der anderen. Ganz schleichend setzt bei uns allen ein digitaler Kontrollverlust ein. Einiges an Fachkompetenz ist uns Publishern abhandengekommen, seit IT-Personal von irgendwo mit Templates die Welt überschwemmt. Word, InDesign, PowerPoint, Wordpress, Jimdo, Bücher, Zeitschriften, Websites, Blogs, Anzeigen, Plakate – keine Kommunikation, die nicht IT-basiert ist.

Die Gescheiten sind die Dummen und umgekehrt

Die cloudbasierten IT-Dienstleistungen lassen immer weniger Wahlfreiheit. Entweder du machst mit und klickst auf die Nutzungsbedingungen oder du bleibst draussen. Über das gigantische Sammeln von Nutzungsdaten wissen die Anbieter genauer, was der Markt wünscht, als die Nutzer selbst: «Anwender, die dieses Produkt angesehen haben, interessierten sich auch für jenes Produkt.» Like oder bewerte ein Produkt oder ein Bild, ein Filmchen – und schon hängst du drin. Beweg dich von A nach B – Google vergisst es nicht. Die vermeintlichen Annehmlichkeiten sind so betörend, dass wir die persönlichen Daten, Vorlieben und Abneigungen freiwillig preisgeben. Smartwatches, digitale Armbänder und Autos sind Gadgets des schleichenden Kontrollverlustes – just for fun. In der Summe entfalten die Nutzerprofile ihre Macht. Schwärzeste Intransparenz, Deep Fake, gepaart mit Unverständnis über die Funktionsweise und die Zusammenhänge, die Unmöglichkeit, seine eigenen Daten zu kontrollieren, zu managen oder zu löschen, das alles ist zutiefst undemokratisch und unsozial. Wollen wir das? Immer wieder kochen in den konventionellen Medien fragwürdige Praktiken hoch, die mit der Digitalisierung zusammenhängen. Abhängigkeiten, miese Arbeitsbedingungen, Scheinselbstständigkeit. Uber, Zalando, Amazon, Facebook, Google und Co. müssen dringend politisch kontrolliert werden, es braucht neue Gesetze oder eine Charta für Nutzungsbedingungen, Persönlichkeitsrecht und Datensouveränität. Meine Daten sind etwas wert! So wie wir heute schon den Taschenrechner benutzen, um 29 von 78 abzuziehen, so werden wir bald zu allen wichtigen Entscheidungen des Lebens das Internet befragen. Es wird uns antworten: «88 Prozent aller Menschen haben sich zu diesem Problem so oder so entschieden.» Und wir werden ebenso ahnungslos entscheiden. Der Kontrollverlust ist total. Bei allen fantastischen Vorteilen: Die Denkvielfalt nimmt ab, die Polarisierung der Gesellschaften zu. Und wir ersaufen glücklich im digitalen Weltmeer. Zum Artikel.

Quelle/Autor
Publisher/Ralf Turtschi.

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